Mal ehrlich: Den Urmenschen stellen sich die meisten unserer Zeitgenossen entweder als pelzigen Affen vor, der gerade „von den Bäumen gestiegen“ ist, um Afrika zu verlassen, oder als bärtigen, wilden Eiszeitjäger, der mit Fell behängt und mit einem Speer bewaffnet ist. Letzterer macht mit anderen, gleich aussehenden Männern Jagd auf ein großes, gefährliches Mammut. Dass er manchmal auch einer Rentierherde nachgestellt haben muss, wird aus Bildern geschlossen, die ihn mit einem Rentier über der Schulter zeigen, wie er eine dunkle Höhle betritt, in der weitere verschwommen gezeichnete Urmenschen am Lagerfeuer auf ihn warten. Moderne Jäger und Männer am Grill sehen sich gerne in dieser Tradition.
Immer mal meldet sich auch der vor Säbelzahntigern flüchtende Urmensch in uns allen, z.B. dann, wenn uns vor Stress die Verdauung versagt. Er lässt sich mit dem martialischen Bild vom Großwildjäger so gar nicht vereinbaren. Sind nur die altsteinzeitlichen Frauen vor lauter Angst weggerannt? Sie werden selten oder nie abgebildet, und manche Leute glauben sogar, es hätte in der Steinzeit noch gar keine Frauen gegeben. „Der Sammler“ kommt im uns wohlbekannten Klischee vom Urmenschen gar nicht vor.
Dieses völlig verquere Bild verändert sich seit vielen Jahren zumindest in den Köpfen der Wissenschaftler, wie ein Besuch im Neanderthal-Museum bestätigt. Der Wandel ist den Anthropologinnen geschuldet, die begonnen hatten, die weibliche Seite der Urzeit zu erforschen. Dem Klischee-Eiszeitjäger wurde die Sammlerin zur Seite gestellt. Er soll jedoch der Hauptversorger bleiben, sie sei demnach weiterhin als Ehefrau und Mutter von ihm abhängig. In der breiten Masse bleibt es unverändert beim alten Bild, weil die Forschung in den einschlägigen Medien, sogar im öffentlich-rechtlichen „Bildungsfernsehen“ weitgehend ignoriert wird. „Und wo sollen denn bitteschön auch auf einem 3 km hohen Gletscher Nüsse zu finden sein?“, so denken Leute, die unser Bildungssystem durchlaufen haben.
Jüngst gab es wieder einen Durchbruch in der Eiszeitforschung, von dem die Allgemeinheit wahrscheinlich weitere Jahrzehnte kaum Notiz nehmen wird: In Wustermark (Brandenburg) wurden fünf Angelhaken aus der Altsteinzeit gefunden, deren ausgeklügelte Form so noch heute Anwendung findet. Read More
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